Vorschau 75. Tour de Pologne

Wieder im “Tempel des Sprints“ und am “polnischen Zoncolan“

Von Wolfgang Brylla

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Czeslaw Lang mit Rafal Majka bei der Polen-Rundfahrt 2017 | Foto: ATCommunication/TDP

03.08.2018  |  (rsn) - Gäbe es einen Oscar für die beste radsportbezogene PR-Arbeit, würde das Team um Czeslaw Lang Jahr für Jahr zum engen Anwärterkreis für die begehrte Auszeichnung gehören. Wahrscheinlich würde der Veranstalter der Polen-Rundfahrt das Rennen gegen die Franzosen der Amaury Sport Organisation (ASO) verlieren, aber ein Podiumsplatz läge sicherlich in Reichweite. Denn Lang & Co. wissen, wie man aus einem Wettbewerb von regionalem Ausmaß ein WorldTour-Produkt auf die Beine stellt, das hervorragend vermarktet wird.

Ginge es deshalb nur um Sportmarketing- oder Merchandisingfragen, wäre Langs Team auf Augenhöhe mit den ganz Großen im Rennveranstalter-Geschäft. Das Problem des größten Sportevents Polens, wie die Tour de Pologne immer wieder verkauft und gepriesen wird, besteht nicht in der medialen Qualität der Rundfahrt, sondern in der sportlichen Ausrichtung.

In Polen gibt es ebenso viele Fans der Tour wie Kritiker, die in erster Linie den Schematismus, die Wiederkehr des Immergleichen bemängeln. Seit einigen Jahren konzentriert sich das Rennen auf den südlichen Landesteil. Ohne Krakau, Kattowitz, Zakopane oder Bukowina Tatrz. wäre es schwierig, sich die Strecke der Rundfahrt vorzustellen. Lang ist an die Gastgeberstädte durch langjährige Partnerschaftsverträge gebunden, somit kommt eine Streckenveränderung kaum infrage. Den Startschuss gab man zwar schon häufiger im Zentralpolen (Warschau), im Riesengebirge (Karpacz) oder sogar in Italien, aber letztendlich wurde das Feld stets Richtung Krakau und Tatragebirge gelotst, wo es zum Showdown kam.

Lang experimentierte dabei mit der Anzahl der Mannschaften: Mal verschickte er mehr, mal weniger Wildcards, zwei davon waren jedoch immer für den polnischen Zweitdivisionär CCC Sprandi und die Nationalmannschaft reserviert. Mal ließ er die Aufgebote reduzieren, führte er ein Einzelzeitfahren ein oder strich es wieder.

Trotzdem ist der Funke auf den polnischen Durchschnittsfan nicht richtig über gesprungen. Man mache zu viel Tamtam um ein Rennen, das in Wirklichkeit, auch wenn es in der Zwischenzeit fester Bestandteil der WorldTour geworden ist, sich im Grunde nur in der zweiten Reihe befindet. Die GrandTour-Stars machen meistens um die Polen-Rundfahrt einen großen Bogen: Die einen erholen sich nach den Strapazen der Frankreich-Rundfahrt, die anderen sind schon voll im Vuelta-Modus.

Durch die Vergrößerung des WorldTour-Programms wurde die Ausgangslage der Tour de Pologne auch nicht leichter, zumal das Rennen sich im offiziellen UCI-Kalender einen neuen festen Platz suchen musste. So wurde die Polen-Rundfahrt zu einem Lückenbüßer im WorldTour-Kalender, zum Rennen, das zwischen der Tour de France und der Vuelta a Espana stattfindet und auf das sich, die polnischen Fahrer ausgenommen, keiner so richtig fokussiert.

Dies widerspiegelt nicht nur die Startliste der 75. Auflage der Polen-Rundfahrt, die sich wie jedes Jahr ein historisches Motto zulegte (2018 ist es die Losung "Unabhängigkeitsrennen“, da man im ganzen Land den 100. Jahrestag der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit feiert), sondern auch die Siegerliste.

Die Favoriten: Nach Rafal Majka (2014) waren Dylan Teuns (2017), Tim Wellens (2016) oder Ion Izagirre (2015) keineswegs als Top-Favoriten gestartet. Die Tour de Pologne ist voll von Überraschungen: Die großen Namen, die sich ins Fahrerfeld "verirrt“ haben, wie früher Nibali, Aru oder Wiggins - die man wie Popstars hofierte - rückten kaum einmal ins sportliche Rampenlicht und überließen die Bühne den anderen, weniger bekannten Profis. Wer hörte vor zwei Jahren von Alberto Bettiol, der damals Platz drei in der Gesamtwertung belegte? Oder von Moreno Moser, der 2012 als Neoprofi das Rennen für sich entschied?

Die Veranstalter sind jedoch stolz darauf und brüsten sich damit, dass die Polen-Rundfahrt eben eine wunderbare Plattform für die junge Generation von Fahrern sei, die an der Weichsel zum ersten Mal in den Vordergrund treten können. Überall, vor allem im polnischen Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, das für die TV-Bilder zuständig ist, wird die Geschichte vom einem unbekannten Spanier wiederholt, der 2003 in Karpacz, im Bergzeitfahren, seinen allerersten ProTour-Erfolg nach Hause fuhr. Er hieß Alberto Contador.

Wer nimmt an der diesjährigen Austragung teil? Wem traut man zu, ganz vorne mitzumischen? Schaut man auf das Feld, springt einem die große Anzahl an Sprintern ins Auge. Angekündigt wurden Nacer Bouhanni (Cofidis), Edvald Boasson Hagen (Dimension Data), Sacha Modolo (EF Education), Niccolo Bonifazio (Bahrain Merida), Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe), Phil Bauhaus (Sunweb) oder André Greipel (Lotto-Soudal). Die Tour de Pologne hat immer die endschnellen Leute angezogen, weil drei Viertel der Etappen im Flachen verlaufen und es im Finale meistens zu einem Massenspurt kommt. Die zwei, drei schweren Tagesabschnitte in Zakopane und Bukowina werden dem Peloton erst ganz zum Schluss serviert.

Auf dem Papier stark aus sieht BMC, die Equipe des Titelverteidigers Dylan Teuns. Der US-Rennstall will sich in Polen von seiner besten Seite zeigen, weil ab 2019 die Mannschaft von Jim Ochowicz vom polnischen Schuhdiscounter CCC gesponsert wird, der bis dato das Pro-Continental-Team von Manager Piotr Wadecki unterstützte. Mitchelton-Scott reist mit Michael Albasini, Roman Kreuziger, Luka Mezgec und Matteo Trentin an, dem viermaligen Etappensieger der vorjährigen Vuelta. Das UAE-Team Emirates wird von Aru sowie Rui Costa und das Team Sky vom Lokalmatador Michal Kwiatkowski und Sergio Luis Henao angeführt.

Sollte Kwiatkowski seine Form von der Großen Schleife mitgenommen haben, zählt er zu den Favoriten. Um den Gesamtsieg sollten außer ihm noch Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe), Sam Oomen (Sunweb), Simon Yates (Mitchelton) oder Simon Spilak (Katusha-Alpecin) kämpfen, die schon mehrmals ihre Bergfahrkompetenz unter Beweis stellten. Da jedoch die Bergetappen vom Profil her den hügeligen Frühjahrsklassikern ähneln, müssten eigentlich auch die Eintagesrennen-Spezialisten wie Jan Bakelants (AG2R), Peter Kennaugh (Bora-hansgrohe) und Enrico Gasparotto (Bahrain-Merida) mit den Herausforderungen zurecht kommen.

Die Strecke: Die Rundfahrt beginnt mit einer Flachetappe in Krakau. Auch an den beiden folgenden Tagen nach Kattowitz, das als "Tempel des Sprints“ wegen der gemessenen hohen Endgeschwindigkeiten im Zielbereich bezeichnet wird, und nach Zabrze werden wohl die Sprinterteams das Sagen haben. Wie es die Tradition will, werden die Fahrer in den Etappenzielorten noch einige Stadtrunden absolvieren müssen.

Mit dem Abschied von Oberschlesien wird das Feld ein technisch anspruchsvolleres Gebiet betreten. In Beskidy-Gebirge, auf der Etappe von Jaworzno nach Szczyrk, wird man je zwei Mal den Salmopolska-Pass (5,4 Km; St. 6%) und den Zameczek-Anstieg (4 Km;  6%), der zur Sommerresidenz des polnischen Präsidenten bergauf führt, in Angriff nehmen müssen. Auf den abschließenden Metern wartet erneut eine kurze, aber heftige Kletterwand auf die Profis. Mit kleineren Anstiegen wird das Feld es auch auf der Übergangsetappe nach Bielsko-Biala zu tun bekommen, die für Ausreißversuche bestens geeignet ist.

Die vorletzte Etappe sollte ursprünglich im slowakischen Poprad anfangen, aber nach langem Hin und Her entschloss man sich zu guter Letzt, sie in Zakopane starten zu lassen. So werden die Rennfahrer zwölf Bergwertungen bewältigen müssen, darunter vier der h¬öchsten Kategorie (drei Mal Rzepiska, Czarna Gora). Als Krönung planen die Veranstalter den kurzen, keine 140 Kilometer langen Bergabschnitt rund um Bukowina Tatrz. mit sechs Bergprämien der ersten Kategorie ein, darunter zwei Passagen über Gliczarow, der polnische "Zoncolan“.

Von der Verkürzung der Einzeletappen versprechen sich die Veranstalter mehr Spannung und Dramatik, eine Tendenz, die sich auch bei den Großen Rundfahrten abzeichnet. Zumindest so viel vom GrandTour-Flair ist in Polen zu finden.

Die Startliste

Strecke der 75. Polen-Rundfahrt (4.-10. August):
1. Etappe: Krakau – Krakau (134 km)
2. Etappe: Tarnowskie Gory – Kattowitz (156 km)
3. Etappe: Chorzow (Slaski-Stadion) – Zabrze (139 km)
4. Etappe: Jaworzno – Szczyrk (179 km)
5. Etappe: Salzgrube „Wieliczka” bei Krakau – Bielsko-Bia?a (152 km)
6. Etappe: Zakopane - Bukovina Resort (130 km)
7. Etappe: Bukovina Resort- Bukowina Tatrz. (136 km)

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