Radsport-Geschichte(n)

Ausgerechnet ein Mexikaner gewann die Tour de Trump

Von Guido Scholl

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Raul Alcála (PDM) bei der Tour de France 1992 | Foto: Cor Vos

05.02.2017  |  (rsn) - Ende der achtziger Jahre versuchte ein Milliardär, in den USA, ein Radrennen aufzuziehen, das dem größten jährlichen Sportereignis der Welt die Stirn bieten sollte: der Tour de France. Wer auf der anderen Seite des Atlantik eine so wahnwitzige Idee hatte? Na klar: Donald Trump. Der jetzige US-Präsident sponserte ein nach ihm benanntes Rennen. Nach zwei Jahren ließ er das Projekt jedoch fallen.

Der Mann, der derzeit die Welt in Atem hält, war schon damals eine schillernde Figur, die mit markigen Aussagen, einem ausschweifenden Lebensstil und vor allem viel Geld Schlagzeilen erzeugte. Als Sportmäzen mischte Trump im Boxen und im Football mit, zwei der Lieblingssportarten der US-Amerikaner. Als der Basketball-Reporter und Unternehmer Billy Packer im Jahr 1988 um Audienz im Trump-Tower bat, suchte er nach einem Geldgeber für ein Etappenrennen nach dem Modell der Tour de France, die es in jenen Jahren auch in den USA zu Bekanntheit gebracht hatte.

Trump war schnell bereit, Millionen dafür locker zu machen. Als das Projekt Formen annahm, suchten die beiden nach einem Namen. Einem Bericht der New York Times zufolge schlug Packer Tour de Trump vor. Der Immobilienmogul soll zunächst aus Angst vor Schelte strikt abgelehnt haben ("I will get killed in the media if I use that name“). Doch nur einen Moment des Zögerns habe es gebraucht, ehe Trump den potenziellen Werbeeffekt erkannte und einwilligte.

Da war sie geboren, die Tour de Trump! Und, ganz Medienprofi, warf der Unternehmer eine mächtige Marketingmaschinerie an. Als Partner holte er NBC ins Boot. Der Sender schlug Töne an, wie man sie nicht anders erwarten konnte: "Andere kaufen sich ein Rad, Donald Trump hat sich gleich ein ganzes Radrennen gekauft“ - mit diesen Worten begann ein Trailer zu dem Sport-Event. Auch Trump war damals schon kein Zauderer. "Dieses Rennen wird so groß wie die Tour de France“, kündigte er vollmundig in einem NBC-Interview an.

1989 fiel der Startschuss der Tour de Trump in Albany, New York. Als Termin hatten die Organisatoren den Mai ausgesucht – ein aus ihrer Sicht cleverer Schachzug, da Fahrer das Rennen so in ihre Vorbereitungspläne zur Tour de France im Juli einpflegen konnten. Allerdings unterschätzten Packer und Trump, dass ihr Rennen so in Konkurrenz zu Giro d'Italia und Vuelta a Espana treten würde – die beiden anderen Grand Tours des Radsports, die speziell die starken Spanier und Italiener nicht auslassen würden. Und so kam es auch: Namhafte Profis aus diesen Ländern kamen nie zur Tour de Trump. Außer Maximilian Sciandri, der aber einen britischen Pass besaß.

Trump setzte auf das, was er kannte: Geld. Mit 250.000 US-Dollar Preisgeld soll "seine“ Rundfahrt, die zum Auftakt über zehn Etappen ging, damals nach der Tour de France das am zweithöchsten dotierte Radrennen der Welt gewesen sein. Wohl auch deshalb kamen zur Premiere durchaus prominente Fahrer: Greg Lemond, Andrew Hampsten, Steven Rooks, Gert-Jan Theunisse, Raul Alcala und Henk Lubberding beispielsweise, die allesamt bereits bei Grand Tours vorn dabei gewesen waren oder diese gar gewonnen hatten. Hinzu kamen starke Roller und Sprinter wie Eric Vanderaerden und Davis Phinney (Vater von Taylor Phinney) sowie der damalige Amateur Wjatcheslaw Ekimov. Eigentlich war somit das Terrain für ein spektakuläres Rennen bereitet. Der Kurs an der Atlantikküste sah Zeitfahren, flache Teilstücke und Bergetappen vor.

Auch Skurriles gab es zu erzählen. Ekimov soll sich den Zorn der Profis zugezogen haben, weil er als Amateur die erste Etappe gewann, woraufhin ihm jemand einen Verpflegungsbeutel ins Hinterrad gesteckt und ihn so zu Fall gebracht haben soll. Der spätere Gesamtsieger, Dag-Otto Lauritzen, ließ mit dieser Episode aufhorchen: Nach einem Absturz mit dem Fallschirm drohte sein Bein steif zu bleiben, doch der Norweger kämpfte sich zurück aufs Rad und gewann 1987 sogar die Bergankunft der Tour de France in Luz Ardiden.

Und dann wäre da noch Greg Lemond, der 1986 als erster Amerikaner die Tour gewonnen hatte, danach aber mehrere Verletzungen erlitt und schließlich sogar bei einem Jagdunfall Dutzende Schrotkugeln in den Leib geschossen bekam. Kurz vor der ersten Tour de Trump hatte er sein oft bezweifeltes Comeback gegeben. Solche Stories lieben die US-Amerikaner.

Wegen Lemonds Karriere schien der Zeitpunkt für die Geburt einer Rundfahrt in dessen Heimatland ohnehin perfekt. Andy Hampsten hatte zudem 1988 als erster US-Profi den Giro d'Italia gewonnen, zuvor zweimal die Tour de Suisse, und auch bei der Frankreich-Rundfahrt war er einmal Vierter gewesen. Das US-Team Seven-Eleven mit Hampsten, Phinney, Lauritzen, dem Olympia-Zweiten Steve Bauer und Jeff Pierce, der 1987 die Tour-Etappe auf den Champs Elysées gewonnen hatte, galt als eines der besten der Welt.

Dennoch war die Premiere für Trump ein Fehlschlag. Top-Star Lemond war kaum zu sehen und landete abgeschlagen auf dem 27. Platz, und auch Hampsten kam nie für den Gesamtsieg in Frage. Ein norwegischer Gewinner war nur deshalb tröstlich, weil er in einem US-Team unter Vertrag stand. Immerhin holte Phinney zwei Etappensiege. Doch packende Rennszenen gab es kaum, auch die von der Tour de France bekannten Schlachten in den Bergen blieben aus.

Und dann waren da noch die Negativschlagzeilen: Gleich auf der ersten Etappe blockierten Trump-Gegner (ja, die gab es damals schon) die Straße. Beim abschließenden Zeitfahren in Atlantic City – wo Trump ein Hotel und ein Casino betrieb – wurde der Gesamtzweite, Vanderaerden, fehlgeleitet und büßte so seine Siegchancen ein. Und es blieb nicht unbemerkt, dass das Amateur-Team Sauna Diana von einem Bordellbetreiber gesponsert wurde.

Als während der Rundfahrt von einer Vergewaltigung einer jungen Frau berichtet wurde, machte Trump damals laut Chicago Tribune diese Aussage: "Die Bürgerrechte enden da, wo Attacken auf die Sicherheit anfangen.“ Nette Anekdote: Trump sagte in einem Interview mit NBC im Vorfeld der Tour de Trump-Premiere, er habe nicht vor in die Politik zu gehen, weil Politiker nicht immer das sagen können, was sie denken. Wie sich die Zeiten doch geändert haben.

Die zweite Auflage 1990 sollte besser laufen. Sie beinhaltete gleich 13 Etappen – möglicherweise war es der Plan, in Dreier-Schritten bis zum in Europa gängigen Grand-Tour-Pensum von 22 Teilstücken zu gelangen. Am Start waren erneut mehrheitlich Amateurteams, weil das Rennen nach wie vor nicht im Profi-Rennkalender registriert war. Mit Panasonic, PDM und Seven-Eleven kamen allerdings - wie bei der Premiere - drei Top-Teams.

Zusätzlich war Lemond mit dem starken Z-Team am Start, und vor allem: Er kehrte als erneuter Tour de France-Sieger und sogar als Weltmeister zurück zur Tour de Trump. Ekimov war mittlerweile Profi bei Panasonic, und auch der deutsche Sprinter Olaf Ludwig reiste mit diesem Team in die USA. PDM hatte den aufstrebenden Rundfahrer Erik Breukink – 1988 beim Giro nur von Hampsten geschlagen – im Aufgebot. Auch ein weiterer hoffnungsvoller US-Boy stand am Start: Bobby Julich, der 1998 hinter Marco Pantani und Jan Ullrich Dritter der Tour de France werden sollte.

Das musste doch zum Durchbruch genügen – aber der vermeintliche Glanz war erneut nur ein Schimmer. Mit Rooks, Theunisse und Vanderaerden waren drei Stars der Premiere nicht angetreten. Das Rennen verlief wieder zäh, da sich vor allem Fahrer der zweiten und dritten Reihe zeigten. Lemond hatte erneut keinerlei Ambitionen. Bis zum vorletzten Tag führte Wladislaw Bobrik, ein 19-jähriger Amateur aus Russland. Und dann dies: Mit Raul Alcála (PDM) löste ihn ausgerechnet ein Mexikaner als Leader ab und gewann schließlich die zweite Auflage. Trump dürfte damals schon Vorbehalte gegen Mexiko gehabt haben.

Ob dies zu seinem Ausstieg beitrug, ist Spekulation. In der Baltimore Sun war 1990 vielmehr zu lesen, dass Trumps Negativ-Image zum Problem wurde. Nicht nur die Geschäftsmethoden des Immobilienmoguls, auch seine Scheidung, die damals durch die Yellow Press gepeitscht wurde, machten ihn nicht gerade zum Liebling der Nation. Entscheidend für den Rückzug war aber die damalige finanzielle Schieflage des Trump-Imperiums, wie das Magazin Politico schrieb. Packer machte ab 1991 mit einem neuen Sponsor, dem Chemiekonzern Dupont, weiter, der bis 1996 durchhielt. Dann war endgültig Schluss.

War die Tour de Trump/Dupont nun ein völliger Reinfall? Nein. Aus heutiger Sicht gilt sie als Wegbereiter der heute auch für europäische Profis attraktiven Etappenrennen Tour of Georgia und Tour of Utah. Bis 1996 trugen sich zudem mit Lance Armstrong, Breukink, Ekimov und abermals Alcála ausnahmslos namhafte Profis in die Siegerliste ein.

Dennoch scheiterte Trump kläglich dabei, mit dem Event auf Augenhöhe der Tour de France zu kommen. Warum? Es gibt viele Gründe. Da wäre zunächst die komplette Ignoranz der Macher gegenüber den Gesetzen des Radsports. Geld wollen die Sportler selbstverständlich auch verdienen, aber es spielen vor allem Prestige und Geschichte eine Rolle dabei, welche Rennen den höchsten Stellenwert einnehmen. Belgier wie Johan Museeuw und Tom Boonen beispielsweise hätten auch ohne Preisgeld am Start der Flandern-Rundfahrt gestanden, sich durch Wind und Regen gequält, wären bis an die körperlichen Grenzen und weiter gegangen, um als erster über den Zielstrich zu fahren.

Ein Rennen wird aus drei Gründen groß: wegen seiner Streckenführung, wegen seiner Historie und wegen den Namen in seiner Siegerliste. Als die Tour de Trump startete, war sie ein Rennen ohne Geschichte und ohne vergangene Heldentaten. Markige Worte wie "wir schaffen unsere eigene Geschichte“ (NBC) waren Worthülsen. Der Parcours hatte Qualität, doch der Glanz von Tour und Giro rührt auch von der Kulisse her. Die Lavendelfelder und die Serpentinen der Pyrenäen und der Alpen sowie die klangvollen Namen der Anstiege gehören einfach zum Gesamtpaket dazu. Bei der Tour de Trump ging es meist schnurgerade und brachial bergan.

Und noch etwas unterschätzten Packer und Trump: Nur weil in den USA kaum jemand mehr als die Tour de France und den Kopfsteinklassiker Paris-Roubaix kannte, waren das nicht die einzigen Schwerpunkte im Rennkalender. Giro und Vuelta waren schlicht zu wichtig, als dass das Gros der Stars dem Preisgeld zuliebe zur Tour de Trump jetten würde. Kein Wunder, dass außer Lemond und Hampsten keiner der Grand-Tour-Sieger der damaligen Ära - Stephen Roche, Pedro Delgado, Laurent Fignon, Sean Kelly, Lucho Herrera, Alvaro Pino, Roberto Visentini – jemals auf Trumps Startliste standen.

Die Episode zeigt auch, dass Trump wohl Arroganz und Ignoranz zu unterstellen sind, jedoch keineswegs Dummheit. Denn als nur neun Jahre nach seinem Ausstieg Lance Armstrong erstmals die Tour de France gewann, muss der Geschäftsmann das Potenzial der Geschichte des vom Krebs Geheilten, der mit seiner US-Postal-Truppe alle Europäer aus den Schuhen fährt, erkannt haben. Einen zweiten Ausflug ins Radsportgeschäft wagte er aber trotzdem nicht und dürfte sich selbst dafür auf die Schulter geklopft haben, als Armstrong später als Dopingsünder aufflog.

Vielleicht hatte er auch schlicht andere Dinge im Kopf. Denn wie hatte es Trump 1989 in einem Interview formuliert, als er nach seinen Beweggründen für den Einstieg in den Radsport gefragt worden war? Das Geld sei wichtig, doch mehr reize ihn das Spiel. Jetzt ist er der mächtigste Mann der Welt.

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