Das neue Standardwerk zur Radsport-Geschichte

"Der Schweiß der Götter": Radsport-Mythen entlarvt

Foto zu dem Text "
| Foto: Covadonga Verlag

02.11.2011  |  Wie kein anderer Sport lebt der Radsport von den Legenden der Vergangenheit, von Heroik und herrlichen Anekdoten. Jeder kennt sie, die Geschichten, etwa von der Tour de France: Pyrenäen-Etappen von mehr als 300 Kilometern, bei der Fahrer vor Bären flüchteten, an den schlechten Straßen der Bergpässe verzweifelten, und die Herren der Tour-Direktion als „Mörder!“ beschimpften. Etappen, die mit dem Zug abgekürzt wurden. Giftanschläge auf unliebsame Konkurrenten. Zielankünfte, die zu Massenschlägereien ausarteten.

Eugène Christophe, der nach stundenlangem Fußmarsch eigenhändig eine neue Gabel schmieden musste – und wegen unzulässiger Hilfe noch eine Zeitstrafe aufgebrummt bekam, weil ein kleiner Junge den Blasebalg betätigt hätte. Gino Bartali, der aus aussichtsloser Position das Ruder in den Alpen noch herumreißen konnte und so das Vaterland vor einem Bürgerkrieg bewahrte.

Doch Fakt und Fiktion sind in der beinahe 110-jährigen Geschichte der Frankreich-Rundfahrt längst nicht immer sauber voneinander zu trennen. Tatsächlich sind viele der berühmtesten Episoden von fragwürdigem Wahrheitsgehalt, wurden vielmehr von den einflussreichen Machern des Metiers dereinst bewusst – und oft mit geschäftstüchtigem Kalkül – in Szene gesetzt und überzeichnet.

Das alles zeigt der niederländische Soziologe Benjo Maso mit einem bemerkenswerten Buch über die Historie des Straßenradsports. Nun liegt dieses wichtige Buch erstmals auch in einer deutschen Übersetzung vor, für die Benjo Maso seine Studien und Ausführungen nochmals aktualisiert und ergänzt hat.

Genüsslich entlarvt Maso zahlreiche der berühmten Mythen, die sich um Ikonen der Radsporthistorie ranken. In einem fesselnd erzählten Buch, das auch all jene, die glauben, längst alles über die Tour de France zu wissen, ein ums andere Mal in Erstaunen versetzen dürfte. In den Niederlanden gilt „Der Schweiß der Götter“, diese scharfsinnige, ungemein fakten- und facettenreiche Analyse insbesondere der Tour de France, längst als das Standardwerk über die Geschichte des Radsports – in dieser Frage beweisen Feuilleton und Sportpublikum im Nachbarland seltene Eintracht.

Auf Grundlage jahrelanger, akribischer Recherchen legt Maso dar, wie der Radsport seit seiner Geburtsstunde fortlaufend von den Machtkämpfen dreier Parteien geprägt wurde: Da waren zum einen die Medien, die mit der Organisation von Radrennen den Verkauf ihrer Blätter ankurbeln wollten. Dann die Fahrradhersteller und weitere Sponsoren, die das Geld gaben und im Gegenzug die Leistungen der Tour-Helden nutzten, um Werbung für ihre Produkte zu machen. Und natürlich die Fahrer selbst, die stets bestrebt waren, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern.

Aber so widersprüchlich die Interessen dieser Akteure auch oft sein mochten, zogen sie alle in einem Punkt doch immer an einem Strang: Dem Publikum musste man bieten, was es verlangte. Und das waren Geschichten von „Giganten der Landstraße“ und übermenschlichem Leiden. Geschichten, die gern größer sein durften als die Realität.

So zeichnet Maso ein schlüssiges Bild von der kompletten Evolutionsgeschichte des Radsports, das sich von der Initialzündung mit dem Rennen Paris - Rouen im Jahr 1869 über die Geburtswehen der Tour de France, die Ära gottgleich verehrter Rennfahrer wie Coppi und Koblet über den Anbruch des Fernseh-Zeitalters bis hin in die Neuzeit erstreckt, in der das Bild des Radsports seit der Festina-Affäre zunehmend von immer neuen Skandalen und dem Verdacht flächendeckenden Dopings bestimmt wird.

Eine Situation, über die sich Benjo Maso keine allzu großen Illusionen macht: „Es stellt sich die Frage, ob es der UCI [dem Radsportweltverband] zu verübeln wäre, wenn sie nicht danach streben würde, möglichst viele Dopingsünder zu erwischen. Es gehört schließlich zu ihren wichtigsten Aufgaben, das Bild des Radsports möglichst sauber zu halten, und das bedeutet, dass eine Wiederholung der Skandale von 1998, 2006 und 2007 um jeden Preis verhindert werden muss“, schreibt er und setzt provokant nach:

„Offensichtlich ist die UCI realistisch genug, um einzusehen, dass das Dopingproblem kurzfristig nicht zu bannen ist, und sich deshalb darauf beschränkt, sich mit ihm zu arrangieren. Dies bedeutet natürlich, dass die Leistungen der Champions vielleicht etwas mehr Illusion als reine Wirklichkeit sind. Doch ist nicht genau das seit jeher das Wesen des Straßenradsports?“

Benjo Maso, Der Schweiß der Götter, Covadonga Verlag 2011, 288 S., 14,80 Euro, ISBN 978-3-936973-60-0

 
Weitere Informationen

Covadonga Verlag
Spindelstr. 58
33604 Bielefeld

Fon: 0521- 522 17 92
Fax: 0521- 522 17 96

Internet: covadonga.de

Weitere Radsport-Markt-Nachrichten

21.03.2024Corratec CCT EVO Ultra: Kompromisslose Rennmaschine zum Firmenjubiläum

Warum Konrad Irlbacher ausgerechnet den 34. Geburtstag seines Unternehmens dazu nutzte, ein Rennrad der Superlative zu kreieren, wissen wir auch nicht. Doch dass das Corratec CCT EVO Ultra in Sachen T

05.03.2024Bkool: Animiertes Training mit Froome, Contador & Co.

(rsn) - Ein pandemiebedingter Notbehelf ist das Indoortraining längst nicht mehr. In den letzten paar Jahren haben Radsportler aller Leistungsklassen entdeckt, was für ein spannendes Fahrerlebnis di

05.03.2024ProCycling: Die große Saison-Vorschau

Paris - Nizza, Strade Bianche, Tirreno - Adriatico: Die Saison 2024 kommt in Schwung und damit auch die neue Ausgabe unseres Schwester-Magazins ProCycling. Diese widmet sich ganz dem neuen Radsportjah

28.02.2024Atera Strada Trail 2: Solider Fahrradträger für die Anhängekupplung auch für schwere Bikes

Das Fahrrad im Auto transportieren? Bei vielen Fahrrädern – und vielen Autos – kommt das nicht wirklich in Frage. Wen es also demnächst ins Warme zieht, der sollte sich jetzt nach einem Autoträ

27.02.2024Basso: Neues Allroad-Bike Palta Vicenza Dream

In Zusammenarbeit mit Campagnolo stellte Basso Bikes vergangene Woche in den Forschungs- und Entwicklungslabors in Vicenza das neue Allroad-Bike "Palta Vicenza Dream" vor - "mit einem einzigartigen un

23.02.2024Lightweight Meilenstein Evo: Neue Signature Edition Gold

Nicht nur, um die ersten Plätze in den Tests der Fachzeitschriften Tour und RoadBike im Jahr 2023 zu feiern, legt Lightweight eine Sonder-Edition des Laufradsatzes Meilenstein Evo Signature auf:

21.02.2024Rouvy: “Lohnende, authentische Alternative...“

Die Trainings-Plattform Rouvy bietet eine tolle Radsport-Welt - und wir wollten wissen: Wie schlägt sich die Indoor-App in der Praxis? Hier die Ergebnisse unseres ausführlichen Tests in den vergange

17.02.2024Citec 3000 S Aero Carbon DB: Die Aero-Allrounder

Ein echter Allrounder soll der mit 1497 Gramm (inkl. Felgenband) ausgesprochen leichte Radsatz (VR 691/ HR 806 Gramm) von Citec sein. Die 36 mm tiefen, 29 mm breiten Felgen des Berliner Laufrad-Spezia

11.02.2024Q36.5: Neue Rennradschuhe “Dottore Clima“

"Dottore Clima" heißen die neuen Rennradschuhe von Q36.5: "Leicht wie Luft, perfekt für intensive Rennen und Training unter allen Bedingungen...", so die der Marke aus Bozen: "Diese Schuhe fühlen s

08.02.2024Assos Fenoq: Ein Profi-Speedsuit für alle

Der "Fenoq" ist der brandneue Zeitfahr-Anzug von Assos - mit der "ultimativen, individuellen Speedsuit-Renn-Technologie" der Schweizer. Er ist zunächst nur massgeschneidert zu haben, in Männer- ode

05.02.2024Alugear Chainring Set Aero DM: Aerodynamik und Optik

Ein optisch und aerodynamisch interessantes Upgrade für die Sram Force AXS kommt von Alugear. Das flächige Außen-Kettenblatt, erhältlich in acht Eloxal-Farben, soll mit seinen runden Vertiefungen

03.02.2024Sonax Bike-Reiniger: Der Testsieger

Jetzt im Winter sollte man sein Rad häufiger als sonst pflegen - Schmutz, Matsch und vor allem Salz setzen ihm besonders zu. Gut geeignet ist dafür der Bike-Reiniger von Sonax: Er ging aus diversen

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine