Tour total / Tag 2

An Bernard Hinaults Rindern vorbei

Von Marco Ruhl

18.07.2008  |  Wenn der 18.07.2008 um 23.59 Uhr ganz vorüber sein wird, wird Tour total im Vergleich zum Profifeld der Tour de France drei Tage aufgeholt haben. Wir sind nach einer kurzen Pause auf dem zweiten Teilstück der 5. Etappe nach Châteauroux und Guido ist gerade auf das Bergrad gewechselt, um es für die beiden Zentralmassivetappen, die ab 24.00 Uhr starten werden, „einzufahren”, wie er sagt. Denn wir werden so rechtzeitig in Châteauroux angekommen sein und nach Aigurande transferiert haben, dass um Mitternacht die ersten Kämpfe mit den „echten” Bergen starten. Das Ziel, 1000 km in den ersten 48 Stunden wird Guido damit zwar um gut 150 km verfehlen, aber nach Neudurchrechnen der Marschtabelle haben wir festgestellt, dass wir auch mit ca. sechs Stunden Rückstand auf die bei Fans gegen Doping im Netz veröffentlichte noch voll im Soll liegen.

Guido geht es weiterhin prächtig, auch wenn die 3. Etappe, von Saint-Malo nach Nantes über 208 km, die bisher schwerste war. Denn während der zweiten Nacht im Sattel machte sich doch gewaltig die Müdigkeit durch die vergangenen Anstrengungen bemerkbar. Muskeln und Ausdauer geben aber weiter keinerlei Anlass zur Sorge. Schließlich entschieden wir, im Begleitfahrzeug kilometerlang auf den velassenen Nebenstraßen der Südost-Bretagne neben ihm herzufahren und uns mit ihm zu unterhalten, um ihn bis zum vereinbarten Zwischenhalt in Pipriac, bei km 113 der Etappe, wachzuhalten.

Die Sache wurde nicht gerade erleichtert dadurch, dass zwischen Rennes und Nantes einfach nichts los ist, womit man sich ablenken oder wofür man sich interessieren kann. In Pipriac dann Essen und 30 Minuten Ruhe, dann Weiterfahrt, jetzt im Regen und schließlich auch bei auffrischendem Wind von der Loire-Mündung kurz vor dem Ziel. Wir waren schließlich alle ganz froh, dass wir einräumen und nach Cholet zum Zeitfahren transferieren konnte, denn im Osten von Nantes schien der Himmel heller.

In Saint-Malo mussten wir auch entscheiden, Neutralisationen in größeren Städten lieber draußen zu lassen. Da die französischen Straßen für uns nicht gesperrt sind, bedeutet eine Fahrt durch die Stadt ewiges „raus aus de Pedale, rin inne Pedale” und das macht weder Spaß noch ist es besonders gut, wenn alle Nase lang Radfahrer und Begleitfahrzeug durch eine Ampel voneinander getrennt werden. So entschieden wir denn auch, die Nantes-Etappe um ca. 4 km zu kürzen, denn am Ziel im Zentrum von Nantes hätte uns dasselbe erwartet. So wurde an der Stadtgrenze, in Saint-Herblain, zusammengeräumt und Cholet angesteuert.

Dort erwartete und dann der erste offizielle Tour de France-Gruß. Während wir zuvor nur die Ziel-, Bergwertungs- und Sprintwertungslinien gesehen hatten - sowie natürlich die Straßenmalereien diverser Natur -, prangte in Cholet noch immer das Riesenbanner, das die Stadt als Etappenort verkündet, am Rathaus. Das Zeitfahren von 29 km war schnell abgewickelt und Guido startete direkt durch zur längsten Etappe der diesjährigen Tour: Cholet - Châteauroux, 232 km, diesmal wieder mit fünf Zusatzkilometern Neutralisation.

Die Etappe verlief ohne besondere Vorkommnisse, unter anderem weil auch hier die Orte ähnlich weit auseinander liegen wie auf der Nantes-Etappe. Aber der Wettergott revanchierte sich: heiterer Himmel und Rückenwind, so dass Guido den Schnitt im Vergleich zum Vorherigen um einiges erhöhen konnte und die Verspätung, die ihm das Wetter, mitunter spinnende Navigationsgeräte und pennende Teammitglieder eingbrockt haben, wieder etwas mindern konnte. So war das Navi z.B. mit den ca. 25 asphaltierten Feldwegen, die man befahren muss, damit die Tour in Bernard Hinaults Heimatort Calorguen vorbeischauen kann, rettungslos überfordert und wollte das Teamfahrzeug unter anderem in den Torturm der Stadtmauer von Dinan und auf den Friedhof eines Weilers schicken, der nicht einmal ein Ortsschild hat. Ohne den guten alten Atlas routier Michelin würden wir wahrscheinlich noch immer zwischen Bernards Rindern umherirren.

Und weil auf der Etappe so wenig passiert, können wir mal schauen, was das Team, mit dem Guido sich umgeben hat, sonst noch so macht, außer Begleitung und Absicherung. Das Wohnmobil, in dem geruht und - selten - geschlafen wird, dient zugleich als Vorausfahrzeug, das Campingplätze aufstöbert, die Durchreiseduscher nicht abweisen, sowie als mobile Verpflegungsstation und - zum Glück bislang unbenötigte - Behandlungsabteilung. Bei jedem Zwischenhalt und Etappenziel steht das Essen auf dem Tisch, damit Ess- und Ruhezeit so kurz wie möglich gehalten werden können, zumindest jetzt zu Beginn, damit wir Puffer schaffen können, für den Fall das wir die gepufferte Zeit später brauchen.

Deshalb ist das Voraus-Womo auch stets voll getankt: Kraftstoff, Kühlschrank, Wasser. Denn auch über Haferbrei, Grieß, Energieriegel sowie Wasser, Apfelschorle und Isotonikum wird natürlich akribisch Buch geführt. Alle, die mit Guido unterwegs sind, sind auch 16 bis 18 Stunden am Tag für ihn auf den Beinen. Aber er, der täglich seine 19 oder 20 Stunden im Sattel abspult und die müdesten Beine haben müsste, ist stets der, der Energie und gute Laune ausstrahlt, wenn alle gemeinsam in der mobile Verpflegungsstelle die Batterien wieder aufladen.

Knapp 850 km in etwa 45 Stunden wird er heute abend in Châteauroux in den Beinen haben. Morgen warten auf den beiden Zentralmassivetappen die ersten Cat. 2-Berge, auf dem dann eingefahrenen Bergrad, plus „wir reißen dann auch noch 'n bisschen was nach Toulouse runter, wenn's klappt”.

Am 17. Juli startete Guido Kunze seine „Tour total“. Der 42-jährige Extremsportler will die komplette Strecke der 95. Tour de France abfahren und am 27. Juli, kurz vor dem Tour-Tross, in Paris auf den Champs-Elysées eintreffen. Kunze hat sich ein gewaltiges Programm vorgenommen. Weil er nur zehn Tage Zeit hat, muss der Extremsportler pro 24 Stunden umgerechnet etwa 2,2 Etappen bewältigen. In einem Tagebuch berichtet Marco Ruhl, einer von Kunzes Begleiter, von dessen Erlebnissen in Frankreich.

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